Restitutionen und Einigungen

Die Stiftung Kunstmuseum Bern sieht sich der «Washingtoner Erklärung» (1998), der «Erklärung von Terezín» (2009) und museumsethischen Grundsätzen gemäss «ICOM – Code of Ethics of Museums» verpflichtet.
Als NS-Raubkunst werden «verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter» gefasst. Darunter fallen verfolgungsbedingte Eigentumsverluste infolge von Beschlagnahme, Raub und Diebstahl, Zwangsverkauf, Zerrüttung der sozialen und ökonomischen Existenz sowie Verluste in Zusammenhang mit Flucht und Emigration. Die Stiftung Kunstmuseum Bern betrachtet verfolgungsbedingte Verluste im deutschen Machtbereich sowie Verluste in vermeintlich sicheren Drittländern ab 1933.
Bei der Bewertung von Erkenntnissen der Provenienzforschung finden die Kategorien des Kunstmuseums Bern von Juni 2025 Anwendung, die unvollständigen Erkenntnislagen Rechnung tragen (Berner Ampel 2025). Bei Werken, für die ein verfolgungsbedingter Verlust nicht belegt werden kann, aus deren Provenienz sich aber Hinweise auf NS-Raubkunst und/oder auffällige Begleitumstände ergeben (Kategorie «Gelb-Rot»), sucht die Stiftung Kunstmuseum Bern nach möglichen Anspruchsberechtigten, um im Austausch mit ihnen eine faire und gerechte Lösung im Sinne der «Washingtoner Erklärung» zu finden.
Herausgabeforderung der Erben nach Carl Sachs
Die Erben nach Carl Sachs (1858 – 1943) veröffentlichten am 20. August 2018 in der Datenbank Lost Art eine Suchmeldung für ein Gemälde von Alfred Sisley aus dem Jahr 1879: «Alfred Sisley, La Chaussee de Sévres [sic] (Le chemin des Bois a ville-d’avray [sic], 1879, Öl, gemalt, 50 x 61 cm, Bez. u. dat. r. u.: Sisley 79 // Daulte, Sisley 1959, Nr. 321 // Provenienz: Charles Bonnemaison-Bascle Paris bis 1896, Charles Viguier Paris bis 1906, Carl Sachs Breslau, Galerie Fischer Luzern 14.05.1940, Fritz Nathan Zürich, Hedwig Vatter-Steiger Bern (Lost Art-ID 578881)».
2023 führte das Kunstmuseum Bern Provenienzabklärungen zu dem Gemälde Le chemin des bois à Ville-d’Avray (1879) von Alfred Sisley durch, das als Vermächtnis aus Privatbesitz 1994 Eingang in die Sammlung gefunden hat. Am 28. Februar 2024 richteten die Erben nach Carl Sachs eine Rückgabeforderung für das Gemälde an die Stiftung Kunstmuseum Bern.
Die Stiftung Kunstmuseum Bern steht seitdem in einem offenen Austausch mit den Vertretern der Erbengemeinschaft nach Carl Sachs. Die Zusammenarbeit hat zum Ziel, eine gemeinsame Einschätzung der bislang vorliegenden Erkenntnisse als Grundlage einer beiderseits als gerecht und fair beurteilten Lösung im Sinne der Washingtoner Grundsätze (1998) und der Erklärung von Terezín (2009) zu erarbeiten.
- Bericht zuhanden der Stiftung Kunstmuseum Bern bezüglich der Rückgabeforderung der Erben nach Carl Sachs
- Anlage 1: Provenienzbericht (Stand: 2. Februar 2024)
- Anlage 2: Vergleichswertermittlung für Gemälde von Alfred Sisley im Zeitraum von 1933 bis
1945 (Stand: 2. Februar 2024) - Anlage 3: Freihändige Verkäufe von Gemälden Alfred Sisleys in der
Schweiz im Zeitraum von 1933 bis 1945 (Stand: 2. Februar 2024)
- Mediendossier: Grundlagen der Stiftung Kunstmuseum Bern zum Umgang mit NS-Raubkunst und Entscheidung Herausgabeforderung der Erben nach Carl Sachs
- Alfred Sisley (1839 − 1899), Le chemin des bois à Ville d’Avray [Waldweg bei Ville d’Avray], 1879 Öl auf Leinwand, 50,2 x 61,2 cm, Kunstmuseum Bern, Legat Robert Vatter, Bern
Einigung mit den Erben nach Dr. Ismar Littmann und den Nachfahren von Dr. Paul Schaefer, 5. November 2021
Entscheid der Stiftung Kunstmuseum Bern bezüglich Rückgabeforderung der Erben nach Dr. Ismar Littmann, Bern, 5. November 2021
Marcel Brülhart, Nikola Doll, Katharina Garbers-von Boehm, Andrea Raschèr, Bericht zuhanden der Stiftung Kunstmuseum Bern bezüglich der Rückgabeforderung der Erben nach Dr. Ismar Littmann, Bern, 5. November 2021
Marcel Brülhart, Nikola Doll, Katharina Garbers-von Böhm, Andrea Raschèr, Taking fair and just decisions based on findings leading to an incomplete or uncertain state of evidence. The decision of the Kunstmuseum Bern in the restitution claim asserted by the heirs of Dr. Ismar Littmann, in: Network of European Restitution Committees on Nazi-Looted Art, Newsletter, January 2023 – No 15, herausgegeben von der Advisory Commission on the return of cultural property seized as a result of Nazi persecution, especially Jewish property, S. IX-XIV.
Otto Dix, Dame in der Loge, 1922. DER NACHLASS GURLITT
Otto Dix, Dompteuse, 1922. DER NACHLASS GURLITT
Einigung mit den Erben nach Paul Cézanne, 3. Juli 2018
Die Stiftung Kunstmuseum Bern und die Erben nach Paul Cézanne kamen im Juli 2018 überein, dass nach umfangreichen Recherchen die Provenienz des Gemäldes La Montagne Sainte Victoire (1897) im Zeitraum von 1940 bis 1946 ungeklärt ist und nach derzeitigem Kenntnisstand ein Fall von NS-Raubkunst ausgeschlossen werden kann. Aufgrund der bestehenden Provenienzlücke in den Jahren der deutschen Besetzung Frankreichs (1940–1944) wird der Sachstand als nicht abgeschlossen bewertet.
Die Erben nach Paul Cézanne erkennen das Eigentum der Stiftung Kunstmuseum Bern an dem Werk an. Die Stiftung stellt das Gemälde dem Musée Granet, Aix-en-Provence jährlich für den Zeitraum von drei Monaten zur Verfügung. Bei neuen Erkenntnissen erfolgt eine erneute Bewertung.
Forschungsbericht von Jan Thomas Köhler für das Projekt Provenienzrecherche Gurlitt, 5. Mai 2017
Paul Cézanne, La Montagne Sainte-Victoire, 1897. DER NACHLASS GURLITT
Nachlass Cornelius Gurlitt
Die Annahme des Legats Cornelius Gurlitt im November 2014 markiert einen Perspektivwechsel. Das Kunstmuseum Bern setzt sich für langfristige Provenienzforschung und einen transparenten Umgang mit Forschungserkenntnissen ein.
En savoir plusProvenienzforschung Sammlung
Provenienzforschung setzt sich mit den Erwerbungszusammenhängen einzelner Kunstwerke und der Geschichte von Sammlungen auseinander.
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